Anna R. Krankheit –Nach 20 erfolgreichen Jahren mit dem Pop-Duo Rosenstolz musste Sängerin Anna R. ein Unglück erleiden. Saxophonist Lorenz Allacher ist gestorben, nachdem bei ihm und zwei weiteren Mitgliedern der neuen Band Gleis 8 nach der Trennung von ihrem Musikpartner Peter Plate Krebs diagnostiziert worden war.
Ihre um einige Wochen verschobene Tour zum Album „Endlich“ hat nun endlich begonnen. Anna R. (46) und Florian Arnold sprachen über ihre neue Band, das Ende von Rosenstolz und die Möglichkeit eines Comebacks. Viele Songs auf „Endlich“ handeln von neu gewonnener Freiheit sowie von Beziehungen und Krisen. Das hängt zweifelsohne mit dem Tod von Rosenstolz zusammen.
Liegt da einer von uns falsch? Es besteht kein Zusammenhang zwischen beidem. Wenn ich es lautstark kundtun wollte, hätte ich das getan, als wir unser erstes Album veröffentlicht haben. Seien wir ehrlich: Wenn Peter es hätte wissen können, hätten wir es auch wissen können. Wir können es immer noch schaffen, könnte man meinen. Wir schaffen es immer noch zu den paar Auftritten. Aber es hat nicht geklappt. Es war einfach eine ärztliche Anweisung.
Wir mussten kurz innehalten. Auch wir waren alle erschöpft. Die gestiegene Verantwortung und der Druck sind eine natürliche Folge dieser Faktoren. Wir hatten uns schon einmal eine Pause gegönnt, aber die war bei weitem nicht lang genug.
Kam Ihr Comeback 2011, wenn auch nur kurz, zu früh?
Peter ist ein echter Workaholic, im Guten wie im Schlechten. Er hatte keine Zeit zu warten. Er wollte die Songs und Texte veröffentlichen, die aus ihm herausströmten. Leider merkten wir sofort, dass es umsonst war. Danach konnten wir immer noch nicht auf Tour gehen. Ihr habt schnell euer Debütalbum Gleis 8 veröffentlicht. Wie lange habt ihr schon darüber nachgedacht, eine neue Firma zu gründen?
Ich wollte in den Pausen nichts machen. Es ging ja nicht nur darum, ein neues Album rauszubringen. Ich wollte mit unserem Saxophonisten Lorenz Allacher und dem Produzenten Timo Dorsch chillige Musik machen und schauen, was dabei rauskommt. Dann kam Manne Uhlig am Schlagzeug dazu und wir hatten so viel Spaß und haben so viele Songs geschrieben, dass wir hofften, sie irgendwann mal zu veröffentlichen.
Sowohl Lorenz Allacher als auch Manne Uhlig erkrankten nach der Veröffentlichung von „Bleibt das immer so“ an Krebs, Allacher erlag schließlich seiner Krankheit. Wie gelang es Ihnen, die ganze Sache zu einem Abschluss zu bringen?
Wenn eine Tragödie auf die andere folgt, fragt man sich, ob das Schicksal versucht, ihm oder ihr Unrecht zu beweisen. Aber das war nur ein kurzer Augenblick. Weil Lorenz so entschlossen war, dachten die anderen nicht einmal daran, aufzuhören. Er schickte weiterhin erpresserische SMS und Drohbriefe aus dem Krankenhaus. Wir haben uns alle gegenseitig gestärkt und das Schreiben hilft wirklich.
Du kannst jetzt nicht Dritter sein. Wie viele von euch sind gerade im Publikum?
Trotz des Mehraufwands sind mir Clubkonzerte lieber. Man kann weniger Fehler machen und muss sich insgesamt mehr anstrengen. Wenn man nicht alles gibt, merkt das auch der Rest. Ein großes Publikum hingegen kann sich nur selbst ernähren.
Anna R. Krankheit: Alterssklerose
Ich kommuniziere zwar mit Peter, aber unregelmäßig. Ich kann nichts ausschließen, aber ich sehe einfach kein Comeback von Rosenstolz in naher Zukunft. Vielleicht irgendwann im Seniorenheim. In den 90ern waren sie ein Geheimtipp, stiegen dann aber zum beliebtesten deutschsprachigen Duo aller Zeiten auf. Seit 2012 liegt es auf unbestimmte Zeit auf Eis.
Auf dem Album finden sich Beiträge von Manne Uhlig und Timo Dorsch, zwei Mitgliedern der Band Gleis 8, deren Frontmann du einst warst. Aber warum ist dieses Album ein Solowerk und nicht das dritte Gleis 8-Album? Gibt es eine neue Perspektive auf deine Arbeit?
Nö. Auch wenn Timo gesagt hat, er würde keine Musik mehr machen, sind es im Prinzip die gleichen Leute. Aber der Rest ist da und wird berücksichtigt. Dass das eine One-Man-Show ist, ist schon lange bekannt. Aber ich habe mich lange dagegen gewehrt, nachzugeben und mich mitreißen zu lassen.
Ich glaube nicht, dass das mit der Zeit verschwindet. Wenn man nicht völlig dumm ist, wird man erkennen, dass alles andere sinnlos ist. Schneller, höher und weiter zu gehen ist sinnlos, aber unter Träumen zu leiden, die man nicht erreichen kann, ist auch sinnlos. Ich bin viel mehr von Träumen fasziniert, die mich herausfordern, den gegenwärtigen Moment zu verstehen.
Welche Rolle spielen Sie beim Komponieren von Musik? Schauen Sie, was ist Ihnen gerade passiert? Können Sie mit aktuellen Ereignissen Schritt halten? Ist es ein lyrischer Charakter und daher fantastische Geschichten?
Insgesamt drei Dinge. Beim Schreiben offenbart sich viel von einem selbst, sonst würden die Worte anders zum Ausdruck kommen. Es gibt einige introspektive und autobiografische Elemente. Irgendwann wird die eigene Lebensgeschichte erzählt. Zumindest für den Moment. Ich finde es unglaublich traurig, dass „An Ocean Full of Souls“ heute noch aktuell ist.
Die Fertigstellung des Albums hat viel länger gedauert als erwartet. Dann kam die Pandemie und danach ist noch viel mehr passiert. Der Song wurde schon früh im Entstehungsprozess des Albums geschrieben. Ich bin zunächst davon ausgegangen, dass er zu diesem Zeitpunkt irrelevant war, aber das war leider nicht der Fall. Meiner Meinung nach sollten wir uns alle schämen.
Dass es Debatten darüber gibt, ob man Flüchtlingen auf Booten helfen soll, um sie an Land in Sicherheit zu bringen. Dass sie in Lagerhallen gepfercht werden, die ohnehin schon überfüllt sind. Diese Menschen wurden rausgeworfen, weil sie den Krieg nicht überleben wollten. Es ist unfassbar, dass darüber so leichtfertig hinweggesehen wird.
Wir sind schon lange befreundet. Ich kenne uns schon seit MTV-Zeiten und freue mich immer, wenn wir Zeit miteinander verbringen. Schließlich rief ich ihn bei Pandemonium an und schlug vor, dass wir zusammen ein Album aufnehmen. Dabei kam erstmals die Idee eines Cover-Albums auf. Ganz fertig ist es noch nicht, aber bei ein paar Treffen entstand ein Song dazu, kurioserweise in Sillys Studio. Drei Tage später war der Song fertig, Henning saß am Klavier und spielte, während ich den Gesang beisteuerte.
Du und Peter Plate habt gegen Ende der Rosenstolz-Ära eine sehr schwere und anstrengende Zeit hinter euch. Gefällt es euch jetzt, wo es leiser ist, besser oder vermisst ihr den Lärm manchmal? Ich habe es eigentlich nie benutzt. Nicht unbedingt das, was ich gesucht habe, aber trotzdem eine notwendige Ergänzung. Meiner Meinung nach gibt es nichts Besseres. Außerdem wird der Drucker weniger beansprucht.
Ja und nein. Ich habe zwanzig meiner dreißig Jahre tatsächlich gelebt. Ab und zu taucht ein Rosenstolz-Thema auf. Die meisten dieser Jahre waren auch ziemlich gut. Allein die Eingrenzung auf diesen Punkt ist erschreckend. Ich habe neben dem traditionellen Rosenstolz bereits eine Reihe anderer Werke geschaffen.
Sie kämpfen seit Beginn gegen AIDS und wurden dafür 2011 mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet. Es ging dabei um viele schwule und feministische Themen. Was halten Sie vom aktuellen politischen Klima und der damit verbundenen Transparenz?
Um es klar zu sagen: Ich bin keine Feministin. Und das sollte man auch so sehen. Es ist egal, wie Sie sich selbst einordnen wollen. Mir ist das egal, denn ich glaube, dass jeder die gleichen Rechte haben sollte wie alle anderen.
Wenn junge Leute zu viel Energie haben, kann es schon mal brenzlig werden. Als wir angefangen haben, gab es noch keine rechtliche Anerkennung für schwule oder lesbische Partnerschaften, deshalb finde ich es toll, dass sich die Dinge ändern und offener werden. Man sollte sich nicht als Nabel der Welt sehen. Das finde ich ein bisschen extrem, denn für mich sind alle gleich und keiner ist besser. Die Diskussion muss aber weitergehen und es gibt immer noch Bereiche, in denen sie zu kurz greift.