Jasmina Kirchhoff Alter – Die Corona-Epidemie bestimmt seit Monaten unseren Alltag. Seitdem steht die Pharma- und Biotech-Industrie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wie keine andere Branche. Die Bemühungen, einen Impfstoff gegen das Virus zu entwickeln, sind mit einer kaum vorstellbaren Geschwindigkeit vorangekommen. Dennoch bleibt der Einsatz für jede weitere Impfstoffentwicklung aufgrund der Möglichkeit nachfolgender Mutationen hoch.
Natürlich stehen auch bei der diesjährigen Jahrestagung Fragen rund um Impfstoffe, einschließlich ihrer Produktion und Verteilung im Mittelpunkt. Über die diesjährige Leitfrage „Welche aktuellen Probleme gibt es in der Arzneimittelentwicklung, Patientenversorgung und Gesundheitspolitik?“ hinaus decken die Vorträge, Talks, Podiumsdiskussionen und Workshops ein breites Themenspektrum ab.
Wie hat sich der Studienstandort Deutschland entwickelt? Wie sicher ist unsere Arzneimittelversorgung nach den Impfstoffengpässen zu Jahresbeginn? Deutschland und die Europäische Union müssen die Produktion hochfahren. Natürlich sind auch 2021 die Digitalisierung, der Einsatz von KI und die Nutzung von Big Data im Gesundheitswesen wieder große Themen. Die Jahrestagung des House of Pharma & Healthcare ist seit ihrer Gründung vor einem Jahrzehnt eine der wichtigsten Pharmakonferenzen Deutschlands.
Es bietet eine einzigartige Gelegenheit, sich in der Gesundheits- und Pharmabranche weiterzubilden und Kontakte zu knüpfen. Das Programm richtet sich an alle Beteiligten des Gesundheitswesens, darunter Patienten, Ärzte, Apotheker, Vertreter von Versicherungsgesellschaften, Behörden, privaten Unternehmen und akademischen Einrichtungen.
Guru der Pharmakologie
Aufgrund der aktuellen Medikamentenknappheit sind Patienten in Lebensgefahr. Dr. Jasmina Kirchhoff, Pharmaexpertin am Institut der deutschen Wirtschaft, wies darauf hin, dass das gesetzlich vorgeschriebene Preisembargo für Medikamente die Hersteller daran hindere, höhere Preise durchzusetzen und zudem die Versorgung behinderte. Der Markt müsse so strukturiert werden, dass die Unternehmen ihre Preise und Produktionsmengen selbst bestimmen könnten.
Medikamente
Mangelnde Verfügbarkeit vieler Medikamente. Die Europäische Union will das durch die Verlagerung der Produktion auf den Kontinent nachhaltig ändern. Doch auch einzelne Länder tragen Schuld. Eine vorgeschlagene Regelung in Deutschland würde aufgrund der niedrigeren Kosten einen Anreiz für die lokale Produktion schaffen, statt sie nach Asien auszulagern. Wer muss dann den Preis dafür zahlen?
Seit drei Jahren steigt die Zahl der Arzneimittel mit Versorgungsengpässen in Deutschland. Dazu zählen Antibiotika, Schmerzmittel und Krebsmedikamente. Doch nicht jeder hat Zugang zu gleichwertigen Alternativen. Ines Richter-Kuhn, Hausärztin in Dresden, beobachtet regelmäßig die Ängste ihrer Patienten vor Medikamentenknappheit und sagt: „Es geht um Menschenleben. Es geht um die Gesundheit der Menschen.“
Transportverzögerungen sind in ganz Deutschland und der Europäischen Union ein Problem. Häufig sind Generika betroffen. Dabei handelt es sich um billigere Nachahmer von Markenmedikamenten, deren Patente abgelaufen sind. Sie machen 80 % aller in Deutschland verabreichten Medikamente aus. Die Produktion von Generika wurde von mehreren Pharmaunternehmen ausgelagert, vor allem nach China und Indien.
Jasmina Kirchhoff Alter: 28 Jahre
Dort können sie bis zu 40 Prozent billiger produziert werden. Wie die jüngste Corona-Pandemie gezeigt hat, hat dies zu gefährlichen strategischen Abhängigkeiten von bestimmten Nationen geführt und die Lieferketten geschwächt. Deshalb wird seit drei Jahren darüber diskutiert, ob lebenswichtige Medikamente wieder in Europa produziert werden sollen oder nicht. Es ist ein mühsamer Prozess mit vielen Schritten.
Die Europäische Union bemüht sich zwar, darauf zu reagieren, doch fehlt ihr derzeit die Autorität dazu. Das Gesundheitssystem wird von den 27 einzelnen Ländern gebildet. «Es geht darum, auf EU-Ebene Rahmenbedingungen zu schaffen», sagt Jasmina Kirchhoff, Pharmaexpertin am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Sie sollen «den nationalen Gesundheitssystemen helfen, ihre Arzneimittelversorgung und ihre Finanzierung krisenfest zu machen». Sie seien notwendig, weil ein einzelnes Land die Probleme globaler Versorgungsengpässe nicht vor Ort lösen könne.
Generika
Die grüne Gesundheitsexpertin Dr. Paula Piechotta fordert eine Zusammenarbeit, um die Versorgungssicherheit in Europa zu gewährleisten. Fortschritte gibt es allerdings kaum. Kundl in Österreich ist zwar die letzte große europäische Produktionsstätte für das lebenswichtige Antibiotikum Penicillin, aber «ein Land allein kann die globalen Versorgungsengpässe nicht mit bescheidenen nationalen Maßnahmen überwinden».
Betreiber der Anlage ist ein großer Generikahersteller. Geschäftsführer von HexalAG/Sandoz International Thomas Weigold ergänzt: „Hier wären wir mit Penicillinen unabhängig von Asien. Von der Produktion des Wirkstoffs bis zum fertigen Produkt.“ Die Anlage ist seit fast 70 Jahren in Betrieb. Damit die Anlage auch am jetzigen Standort weiter betrieben werden kann und weltweit konkurrenzfähig bleibt, stellt die österreichische Regierung einmalig 50 Millionen Euro zur Verfügung.
Als Gegenleistung verlangen wir zehn Jahre ununterbrochene Sicherung der Liegenschaft. Weitere 150 Millionen Euro gibt das Unternehmen für Modernisierungen und Erweiterungen aus. Das Unternehmen exportiert sein Antibiotikum „Penicilin V“ in alle Länder der Welt, und sein Vorstandschef sagt: „Ich glaube, es war eine sehr, sehr sinnvolle Allianz, die man hier gefunden hat, um die Grundversorgung zu sichern.“ Die produzierte Menge reiche aus, um Europa im Krisenfall gut zu versorgen.
Ist das nicht auch ohne staatliche Hilfe zu schaffen?
Paracetamol ist ein generisches Schmerz- und Fiebermittel. Frankreich stellt rund 30 Millionen Euro an Subventionen für den Bau einer Produktionsanlage bereit. Es gibt keinen EU-weiten Konsens darüber, welche lebenswichtigen Medikamente wieder in Produktion genommen werden sollten. Laut der Weltgesundheitsorganisation werden 460 lebenswichtige Medikamente benötigt, um die größten Herausforderungen für die globale Gesundheit zu bewältigen.
Pharmaexpertin Jasmina Kirchhoff: „Wenn die Subventionen nötig sind, um die Produktion wieder hochzufahren, dann ist das eine Sache.“ Dennoch müsse man über langfristige Finanzierungsmöglichkeiten der Produkte nachdenken, denn sie seien teurer als ihre asiatischen Pendants. Gibt es staatliche Zuschüsse in ähnlicher Höhe oder zahlen die Patienten selbst, entweder über die Krankenkasse oder in der Apotheke?
Es besteht kein Zweifel daran, dass, wenn wir es mit der Erhöhung der Unabhängigkeit in der Arzneimittelversorgung ernst meinen, auch die dafür notwendigen Vorprodukte in der EU und in Deutschland entwickelt werden müssen.