Elisabeth Niejahr Krankheit –Jeder Mensch erlebt im Laufe seiner Karriere einmal ein Burnout. Journalistin Elisabeth Niejahr beklagt, dass ein solches Eingeständnis in jedem Beruf, besonders aber in der Politik, als Zeichen der Schwäche gelte. Über Krankheiten werde selten gesprochen.
Elisabeth Niejahr, Vorstandsvorsitzende der Hertie-Stiftung, sagt, dies zeige die «Rücksichtslosigkeit des politischen Systems». Sie beklagen, dass es unmöglich sei, über Krankheiten zu sprechen. Reporterin Elisabeth Nieyear sitzt während eines Talkshow-Auftritts auf einer Couch.
Elisabeth Niejahr war bis Ende 2019 Chefreporterin der Wirtschaftswoche und ist heute Geschäftsführerin der Hertie-Stiftung, die wissenschaftliche Forschung und demokratische Teilhabe fördert. Der Rückgang junger Menschen in der Politik dürfe einen angesichts der aktuellen Ereignisse nicht überraschen, so Nieyear.
Psychische Gesundheit ist kein Tabuthema mehr und sollte auch in der Politik nicht als solches behandelt werden. Der Mentalität „Nur die Harten kommen in den Garten“ widerspricht der ehemalige Wirtschaftswoche-Reporter entschieden.
Um wieder qualifizierte Kandidaten zu gewinnen, müsse man Politikern mehr Respekt entgegenbringen, so Nieyear. Die Hertie-Stiftung engagiert sich zudem in einem Projekt, das den Umgang mit Fehlern verändern und den politischen Prozess menschlicher machen soll.
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In der aktuellen ZEIT-Ausgabe haben Sie einen offenen Brief an mich veröffentlicht, adressiert an „Liebe Alice Schwarzer!“. Meine Antwort finden Sie hier. Ich habe Ihren Brief zweimal gelesen. Denn irgendetwas war mir zunächst nicht klar.
Denn Sie haben mir allen Ernstes dargelegt, dass es EMMA und mir nie um „ökonomische Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau“ ging, sondern um „Sex“. Was auch immer Sie mit „Sex“ meinen, ich werde irgendwann darauf zurückkommen. Reden wir von Anfang an über Ökonomie. Mit ebenso offensichtlicher Unbefangenheit wie unübersetzbarer Ignoranz veröffentlichen Sie einen Text, in dem Sie meine Arbeit und mein Engagement bewerten.
Ihre Argumentation lässt mich glauben, dass Sie nie einen meiner Texte oder sogar EMMA gelesen haben. Das ist Ihre Schuld. Aber in diesem Fall sollten Sie sich keine Gedanken darüber machen, ob Sie mit dem, was ich sage, einverstanden sind oder nicht.
Und wenn Sie es unbedingt wissen müssen: Ich bin nicht die feministische Bewegung. Und hier geht es nicht um meine feministische Bewegung. Es gibt viele, manchmal spaltende Perspektiven innerhalb des Feminismus. Nur das, was ich selbst geschrieben und getan habe und was Monat für Monat in EMMA veröffentlicht wurde, liegt in meiner Verantwortung.
Sie sind eine richtig gute Wirtschaftsjournalistin, meine liebe Elisabeth Niejahr. Viele Ihrer alten EMMA-Artikel hätte ich gern wortwörtlich abdrucken können. Trotzdem freue ich mich, dass diese Themen endlich auch in anderen Medien aufgegriffen werden. Endlich. Denn eine Feministin wie ich engagiert sich seit über vierzig Jahren dafür – und das sogar schon zu einer Zeit, als das noch nicht populär war.
Dass Frauen endlich das Recht bekommen, außerhalb des Hauses zu arbeiten (was wir in Westdeutschland bis 1976 nicht hatten)! Achtung! Traditionelle „Frauenarbeit“ ist gefährlich! Achtung: Teilzeitarbeit kann gefährlich sein. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist zum Schlagwort geworden. Im Idealfall würden sich Männer und Frauen die Verantwortung für die Kinderbetreuung gleichermaßen teilen.
Erst 50 Jahre später veröffentlichte der Verlag das Buch unter dem nicht ganz so subtilen programmatischen Titel „Lohn: Liebe“. Computergestützt, weil alles miteinander verbunden ist. Unentgeltliche Hausarbeit „aus Liebe“ wird von den Frauen in der Familie erledigt.“
Frauen geben ihre Karriere „aus Liebe“ auf. Männer träumen häufiger vom Erfolg im Beruf als Frauen. Das gilt auch heute noch. Die wirtschaftliche Frage ist zudem untrennbar mit der emotionalen Frage verbunden, und die emotionale Frage mit der sexuellen Frage. Wir werden darauf zurückkommen.
Die erste Ausgabe der EMMA erschien am 26. Januar 1977. Damals waren Sie zwölf Jahre alt. Deshalb sei es hier für Sie niedergeschrieben: Die Frage der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Frauen, also ihrer Teilhabe am Arbeitsmarkt, ist seit Gründung der Zeitschrift ein zentrales Thema der EMMA.
Oft allein, aber immer in erster Linie Zielscheibe von Spott und Hohn. Die meisten Frauenthemen brauchen nicht ein paar Jahre, sondern Jahrzehnte, bis sie ZEIT-reif sind. Genauer gesagt setzt sich EMMA seit den 1970er und 1980er Jahren für folgende Themen ein: gleiche Bezahlung, die 32-Stunden-Woche für Eltern kleiner Kinder, faire Steuersätze und Renten, unterstützende Vaterfiguren und wirtschaftliche Sicherheit für alleinerziehende Mütter.
Testen Sie Ihr Wissen zum EMMA-Jargon, indem Sie den EMMA-Lesesaal besuchen. Dort sind 37 komplette EMMA-Bände ausgestellt und Sie können die entsprechenden Stichwörter eingeben. Es erwartet Sie eine Flut von Artikeln, aus denen Sie als Experte am 21. Juni auswählen können.
Jahrhundert, könnte man heute zweifellos noch lernen. Wirklich, es ist wirklich schade, dass Sie das nicht getan haben. Denn in Anbetracht dessen, was bereits gedacht, geschrieben und getan wurde, hätten Sie wissen müssen, weiter zu denken.
Und weder für mich noch für EMMA, die deutsche Frauenzeitschrift mit den jüngsten Leserinnen, sind diese Themen archaisch; leider sind sie noch lange nicht überstanden. Viele Ihrer Wirtschaftsjournalisten-Kollegen arbeiten beispielsweise kompetent am Dossier zum Dauerthema „Beruf und Familie“ mit, das in der nächsten EMMA-Ausgabe erscheinen wird.
Um weiterzumachen: Warum schreiben Sie so etwas? Wenn Ihre Publikation behauptet, es mit dem Journalismus ernst zu meinen, warum veröffentlichen Sie dann solche Artikel? Das sollte Ihnen beiden eigentlich klar sein. Geht es auch um Diffamierung? Vielleicht ist es ein Angebot?
Vielleicht beides. Wie sonst könnten Sie so weit gehen, mir zu unterstellen, ich solle aus journalistischen Gründen über Ihre angeblichen „Sexthemen“ schreiben, weil man sie ja dafür verwenden könne. Es ist sehr bezeichnend, dass Sie unter „Sexthemen“ beispielsweise Kindesmissbrauch verstehen, über den ich auf meine Bitte hin im vergangenen Jahr in der ZEIT geschrieben habe. Und Prostitution auch.
Obwohl beides wenig mit Sex und alles mit Macht zu tun hat, verbindet es doch die ökonomische Frage. Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dass Frauen das unterbezahlte Geschlecht sind, weil sie das ausgebende Geschlecht sind? Seht ihr nicht die Relevanz dieser Abwertung? Ein Mensch, wie man ihn kaufen kann, ist wenig wert. Was für ein schöner Name für den aktuellen ver.di-Streikslogan! „Wir sind es wert!“
Es ist ganz natürlich, dass ein Gehalt ein derart sexistisches Männerbild widerspiegelt. Das Wissen der Männer, wie geizig Frauen sein können, ermutigt sie nicht unbedingt, ihre männlichen Hemmungen fallen zu lassen und Frauen in ihre Reihen aufzunehmen.
Wenn Sie an frühen sexuellen Missbrauch und (meist sexuelle) Gewalt in Beziehungen denken, haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass diese Demoralisierungen und Störungen zum geringen (beruflichen) Selbstbewusstsein von Frauen beitragen können? Schließlich ist sexuelle Gewalt nicht das Ergebnis einiger aggressiver Einzelpersonen, sondern ein systemisches, weit verbreitetes Problem. Das ist kein Zufall. Der dunkle Kern aller Machtdynamiken, ob tatsächlich oder angedroht, ist Gewalt. Leider gibt es sie auch an der Geschlechterfront.
Und haben Sie sich als Autor, der über die Wirtschaftswelt berichtet, schon einmal gefragt, warum die Fruchtbarkeit der Frauen so niedrig ist? Warum streben Barbiepuppen weiterhin naiv nach einem der zehn unterbezahlten und stark eingeschränkten „Frauenberufe“? Warum erleben Frauen einen Karriereknick, wenn sie Kinder bekommen? Warum werden Frauen im Alter immer noch demoralisiert durch die Vorstellung, sie seien es nicht wert, dass man sich um sie kümmert?
Wollen Sie, Herr Nieyear, wirklich über all diese wirtschaftlichen und sozialen Themen schreiben, ohne das große Ganze zu betrachten? Die positiven Seiten des Fortschritts werden immer noch von seinem Schatten überschattet, aber das können Sie nicht sehen, oder? Oder anders gesagt: Als professioneller Journalist stehen Sie nicht einmal auf unserer Seite. Wie schrecklich.
Die Journalistin ist froh über eine stärkere Trennung zwischen privatem und öffentlichem Leben in der Politik. Das klassische Heimvideo sieht man heute kaum noch. Um es mit ihren eigenen Worten zu sagen: „Politiker fühlen sich nicht verpflichtet, den Medien zu demonstrieren, wie sie ihren Kindern Brot, Schmiere oder Kekse zurückgeben“, so die Journalistin.